Wie will die Politik mit den unterschiedlichen Regulierungsgraden im Rundfunk- und Onlinebereich umgehen?
In der klassischen TV-Welt war eine möglichst einheitliche Regulierung unbedingt nötig, da durch die Ausstrahlung von TV-Programmen über Satellit keine regionale Differenzierung möglich war. In der heutigen Onlinewelt individualisiert jeder große Anbieter (vgl. Amazon, YouTube, Facebook) sein Angebot auf den Kunden. Die Durchsetzung von länderspezifischen Regelungen ist somit sehr viel leichter möglich, da die Verbreitung von Inhalten letztlich auf einer Eins-zu-eins-Datenbeziehung besteht. Im Saarland haben wir auch gute Erfahrungen gemacht mit speziellen landesrechtlichen Vorgaben für die großen Plattformanbieter. Die einzigen ernsthaften Bedrohungen des Rechtsstaates im digitalen Raum sind die selbst auferlegte Untätigkeit und eine weitverbreitete tatsächliche Unkenntnis über die eigenen Handlungsoptionen. Aus meiner eigenen Erfahrung nutzen zentrale nationale und europäische Institutionen nur den Lobbyisten. Es geht insgesamt nicht um Auf- oder Abrüstung in den einzelnen Mediengattungen, sondern um Entrüstung über versagenden Jugendmedienschutz und Umrüstung auf effektive Formen hoheitlicher wie selbstregulierter Kontrolle.
Uwe Conradt, LL.M., Direktor der Landesmedienanstalt Saarland (LMS)
Im letzten Jahr wurde die Novelle der AVMD-Richtlinie verabschiedet, die sich u.a. mit der Frage befasst, ob unterschiedliche Regulierungsniveaus für lineare und nicht lineare Inhalte weiterhin erforderlich und sinnvoll sind. Die Antwort ist: Jein. Denn diese Frage bedarf der intensiven Betrachtung der jeweiligen Wirkweise eines Mediums. Grundsätzlich spricht aber die Tatsache, dass sich der Medienkonsum rapide hin zum nicht linearen Abruf entwickelt, dafür, das Regulierungsniveau für diese Inhalte aufzurüsten.
Heike Raab, Bevollmächtigte des Landes Rheinland-Pfalz beim Bund und für Europa, für Medien und Digitales
Die Regulierung muss den Realitäten in der digitalen Welt angepasst werden. Die im neuen Medienstaatsvertrag vorgesehene Regulierung von Medienplattformen, Medienintermediären und Benutzeroberflächen ist daher im Sinne von mehr Chancengleichheit und Transparenz sehr sinnvoll. Allerdings sollten auch Sprachassistenten mit einbezogen werden. Einfach nicht zeitgemäß ist, gerade mit Blick auf die Vielfaltssicherung, dass Rundfunk nach wie vor als zeitgleicher linearer Konsum definiert wird. Klassische Medien könnte man insgesamt eher deregulieren, im Onlinebereich aber unantastbare Kernwerte wie Menschenwürde, Vielfalt, Jugend- und Nutzerschutz durch Regulierungsinstrumentarien stärken.
Siegfried Schneider, Präsident der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM)
Bei hybriden Medienformen finde ich es naheliegend, dass es zu einer Angleichung der Anforderungen für traditionelle Anbieter und andere kommt. Wo es aber tatsächlich noch unterschiedliche Nutzungssituationen gibt, wo Eltern bei traditionellen Medien wie dem Fernseher im Wohnzimmer in einer anderen Weise noch Kontrolle ausüben, mag es auch weiterhin angemessen sein, dass die Schutzniveaus unterschiedlich sind. Deshalb mag ich persönlich den Lobby-Kampfbegriff vom Level Playing Field überhaupt nicht. Es kommt eben darauf an, ob es wirklich ein Playing Field ist oder ob es unterschiedliche sind. Insofern muss man sich die Nutzungssituation sehr genau anschauen, bevor man eine Angleichung von Regelungen fordert.
Prof. Dr. Wolfgang Schulz, Direktor des Leibniz-Instituts für Medienforschung │ Hans-Bredow-Institut (HBI)