Wie wird die AVMD-Richtlinie in Deutschland umgesetzt?

Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF)

Im April 2019 feierte die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) ihr 25-jähriges Bestehen. Aus diesem Anlass wurden Expertinnen und Experten aus dem Umfeld der FSF, aus Politik, Medienwissenschaft und Pädagogik zu dem aktuellen Medienwandel und den zukünftigen Aufgaben des Jugendmedienschutzes befragt:

Was bedeutet die Umsetzung der AVMD-Richtlinie in Deutschland? Wird es eine Kennzeichnungspflicht von Onlineinhalten geben?

Online seit 29.03.2019: https://mediendiskurs.online/beitrag/wie-wird-die-avmd-richtlinie-in-deutschland-umgesetzt/

Vollständiger Beitrag als:


 

Ja, es ist davon auszugehen, dass es eine Kennzeichnungspflicht von Onlineinhalten – jedenfalls für audiovisuelle – geben wird. Art. 6a (3) AVMD-Richtlinie 2018 sieht vor, dass Mediendiensteanbieter den Zuschauern ausreichende Informationen über entwicklungsbeeinträchtigende Inhalte geben. Das dazu genutzte System soll die „potenzielle Schädlichkeit des Inhalts“ beschreiben (englisch: „describing the potentially harmful nature of the content“). Eine reine Vorsperre reicht jedenfalls dem Wortlaut nach nicht aus, sondern eine Kennzeichnung soll unabhängig davon erfolgen.
Diese Anforderung weitet Art. 28b (1) lit a) auf Video-Sharing-Plattformen aus. Das ist aus Sicht des deutschen Rechts neu, da der JMStV zwar eine interne Altersbewertung von Onlineinhalten durch den jeweiligen Anbieter und eine der Bewertung entsprechende Implementation eines Schutzinstruments vorsieht, eine Kennzeichnungspflicht sich aber derzeit nur für Inhalte ergibt, die nach dem JuSchG eine Alterskennzeichnung erhalten haben.
Inwiefern der jetzige deutsche Ansatz einer reinen Altersklassifizierung für die Umsetzung der neuen Vorgabe ausreicht, wird zu diskutieren sein.

Dr. Stephan Dreyer, Senior Researcher für Medienrecht und Media Governance am Leibniz-Institut für Medienforschung │ Hans-Bredow-Institut (HBI)

 


 

Im Sinne der AVMD-Richtlinie, die Fernsehen und Video-on-Demand gleichstellt, wäre es wünschenswert, dass es eine einheitliche Bewertung der Angebote im Hinblick auf den Schutz von Kindern und Jugendlichen gibt, die von den Selbstkontrollen gewährleistet werden könnte. Zudem sollten sich die Selbstkontrollinstitutionen in Europa auf weitgehend einheitliche Kriterien einigen.

Dr. Lothar Mikos, Professor für Fernsehwissenschaft an der Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF

 


 

Die Umsetzung der AVMD-Richtlinie in den Mitgliedstaaten bedeutet, dass das Regulierungsniveau für audiovisuelle Inhalte in der gesamten EU angehoben und angeglichen wird. Das kann für deutsche Anbieter, die bereits jetzt die relativ hohen Anforderungen des deutschen Medienrechts einhalten müssen, im europäischen Wettbewerb eine Verbesserung bedeuten. Auch für die Nutzerinnen und Nutzer ist diese Vereinheitlichung grundsätzlich zu begrüßen. Ein Schwerpunkt der Novelle lag ja auf dem Gebiet des Jugendmedienschutzes und ich denke, hier wurden wichtige Grundsätze festgehalten.
Mediendiensteanbieter sollen laut AVMD-Richtlinie dazu verpflichtet werden, den Zuschauern ausreichende Informationen über Inhalte zu geben, die die körperliche, geistige und sittliche Entwicklung von Minderjährigen beeinträchtigen können. Dies ist Voraussetzung dafür, dass die Zuschauer – Eltern wie Kinder – in der Lage sind, informierte Entscheidungen über die anzusehenden Inhalte zu treffen.
Dieses Ziel der Richtlinie ist für die Mitgliedstaaten verbindlich und dementsprechend in nationales Recht zu überführen. Wie genau die Regelung im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) ausgestaltet werden kann, wird derzeit geprüft. Meines Erachtens müssen bei der konkreten Frage nach geeigneten praktischen Mitteln auch die Regulierungsstellen maßgeblich einbezogen werden.

Heike Raab, Bevollmächtigte des Landes Rheinland-Pfalz beim Bund und für Europa, für Medien und Digitales

 


 

Bei den Altersfreigaben machen wir es uns z.T. zu kompliziert. Wir brauchen leicht verständliche und anwendbare Vorschriften: Ich spreche mich dafür aus, Telemedienangebote in drei Kategorien (für Kinder, für Jugendliche und für Erwachsene) einzuteilen – ähnlich, wie man Skipisten in blaue, rote oder schwarze einteilt. Für Kinder und Jugendliche müssten Eltern entsprechend mehr Verantwortung tragen. Die Voraussetzung dafür, in dem Bereich Entscheidungen zu treffen und selbstverantwortlich agieren zu können, ist mehr Transparenz bei Onlineangeboten: Die Menschen müssen wissen, wer hinter einem Angebot steht und ob es mit einer politischen oder kommerziellen Absicht verbunden ist. Das Transparenzgebot entsprechend zu formulieren und durchzusetzen, ist eine wichtige Herausforderung der Zukunft.

Siegfried Schneider, Präsident der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM)