Barbie

Plastik, Product-Placement und das Patriarchat

Jana Papenbroock

Jana Papenbroock studierte Film an der Kunsthochschule für Medien in Köln. Neben ihrer freien Prüftätigkeit für die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) arbeitet sie als Dokumentarfilmemacherin.

Der Film Barbie überträgt progressive feministische Botschaften in den Blockbusterbereich. Sein aggressives Marketing und die globalen Implikationen des als Mega-Event inszenierten Films für Arbeiterinnen und Umwelt bringt den Feminismus jedoch mitnichten voran.

Online seit 24.10.2023: https://mediendiskurs.online/beitrag/barbie-beitrag-772/

 

 

Wenn die Unternehmerin Ruth Handler wirklich Barbies Mutter gewesen wäre, wäre die Ausgangslage irgendwie spannender. Tatsächlich aber hieß Barbie eigentlich Lilli und hat Lilli gar keine Mutter, sondern nur einen Vater: Reinhard Beuthien, ein Karikaturist aus Hamburg. Wegen einer Textlücke auf Seite 2 der „Bild“-Zeitung, schuf Beuthien einen kleinen Comic: Lilli, die Karikatur eines Freudenmädchens, die reichen Männern das Geld aus den Taschen zu ziehen versucht. Rolf Hausser, Erbe der O. & M. Hausser Spielzeugfabrik, deren Geschäft bis 1944 aus dem Verkauf von Wehrmachtsoldaten- und Hitler-Spielfiguren bestand, produzierte in den 1950ern in Zusammenarbeit mit dem Modelleur Max Weißbrodt die „Bild“-Lilli als Sammlerpuppe. Gleich drei Väter hat die Plastikpuppe also, die aus einer Fabrik mit Faschismusproblem stammt. Das libidinöse, deutsche Nachkriegsphantasma wurde schließlich durch einen legendär läppischen Rechteverkauf und krassen US-amerikanischen Konzernkapitalismus zur globalen Fließbandware.
 

Die pseudo-feministische Neufassung der Geschichte

Hier kommt Mattel ins Spiel, das Ruth Handler, geborene Mosko, übrigens auch nicht allein gründete, sondern mit Harold Matson (Matt) und Elliot Handler (El), ihrem Mann, zusammen. Mattel produziert seine Barbies hauptsächlich in kargen Fabriken in China. Mattels Arbeiter*innen sind dort sexualisierten Übergriffen ausgesetzt (vgl. Solidar Suisse 2020) und hantieren teils mit gesundheitsgefährdenden Chemikalien ohne ausreichende Sicherheitsmaßnahmen für Billigstlöhne (vgl. China Labor Watch 2020) .

Was macht man also aus dieser ganz und gar nicht feministischen Geschichte, ohne matriarchalen Ursprungsmythos, ohne Urmutter und feministische Utopie? Dafür aber mit NS-Vergangenheit, Sexismus- und Ausbeutungsproblem sowie jeder Menge Müll, den die Puppen als nicht-recyclebarer Plastikabfall verursachen?

Man braucht sehr viel Revisionismus. Also weg mit Reinhard, Rolf und Max, weg mit Harold und weg mit Elliot. Weg mit dem Kriegsspielzeug und den ausgebeuteten Arbeiter*innen in China, weg mit dem Escort-Girl, weg mit Deutschland und weg mit dem Plastikproblem. Im Barbie-Film gibt es nur noch die Puppe und Ruth, eine Mutter-Tochter-Geschichte zwischen Himmel und Erde vor handgemalten Kulissen in Kalifornien. Im Film taucht die tote Mutter Ruth (die leider in echt noch nicht einmal nett war, auf krude Weise Steuern hinterzog und tausende Arbeiter*innen entließ, als diese in einem Streik bessere Arbeitsbedingungen forderten) (vgl. Ramamurthy 2023) in den Wolken auf und sagt ihrer bizarr hypersexualisiert-asexuellen Puppentochter: Du machst das toll (Was eigentlich? Egal! Es ist genug). Barbie wird flankiert von einer Entourage aus nicht-weißen, queeren und trans-Barbies, die das stereotype Antlitz der schlecht gealterten kaukasischen Puppe auffrischen und sie wieder zum Gesprächsstoff der Gegenwart machen. Das alles zu einem Zeitpunkt, an dem das Kino und lebenswichtige Ökosysteme im Sterben liegen und die längsten Streiks der Filmgeschichte gegen stets drastischer werdende Ausbeutungsverhältnisse stattfinden.
 

Die Ambivalenz des Barbie-Phänomens

Wie das alles miteinander zusammenhängt, das Kino, der Müll und das Patriarchat, ist dabei die eigentlich interessante und auch alarmierende Seite des Barbie-Phänomens. Barbie versorgt sein immenses Publikum auf durchaus überraschende Weise mit basalen feministischen Perspektiven auf das Patriarchat und reißt dabei einige tolle Witze auf Kosten toxischer Männlichkeit à la Der Pate oder 90er-Jahre-Hits wie Matchbox 20’s Push. Barbie führt die „patriarchale Verschwörung“, in der der Mann als Maß aller Dinge fungiert, ins Absurde, sodass die Frauen altbekannte Überlegenheit postulierende Anspruchshaltung dominanter Männer zur Lachnummer wird. Das hatte so manchen konservativen Mann, vor allem in den USA, erstaunlich erzürnt. Der Film ist gespickt mit Referenzen und Filmzitaten, von der postmodernen Musical-Tanzeinlage bis zur feministischen Filmtheoretikerin Laura Mulvey1 und parodiert nicht nur vermeintliche Klassiker der Filmgeschichte, sondern ironisiert dadurch teils auch seinen feministischen Gegenstand, das Patriarchat, was einen verharmlosenden Charakter hat. Leider sind fast alle progressiven Elemente des Films als direkte Botschaften in die Dialoge eingebaut. Es scheint, als wolle der Film verbal seine Kenntnis theoretischer Diskurse unter Beweis stellen, ohne sie in die Handlung zu übersetzen. Schließlich muss Mattel ja befriedet werden. Margot Robbie repräsentiert als Barbie selbstredend noch immer eines der reaktionärsten, patriarchalen Schönheitsideale, das nun einmal den Wiedererkennungswert der Puppe bildet und dabei deprimierend nah an der Karikatur des Freudenmädchens Lilli bleibt.
 

Trailer Barbie (Warner Bros. DE, 15.05.2023)



Barbie die Filmfigur repräsentiert den prototypischen Warenfetisch und führt genau die seltsamen objekthaften Beziehungen, die Marx als das Ergebnis von Kapital beschrieb. Kapital wird hier als „Funktionsbegriff“ verstanden, das menschliche Beziehungen strukturiert (vgl. Sombart 1927). Im durchgebrandeten Barbieland sind alle privilegierte Besitzende derselben Klasse, die auf ihren Häusern oder Automobilen hocken und nichts zu tun haben, außer sich an- und umzuziehen, neue Produkte zu akkumulieren und untereinander zu gebrauchen. Ihre durch Kapital bestimmte Beziehungen bilden eine „zweite Natur“, ein System abstrakter Herrschaft und Zwänge. Im Film werden jene Zwänge und Probleme mit der Herrschaft explizit benannt in der berühmten „Es ist buchstäblich unmöglich, eine Frau zu sein“-Rede, in der die Unvereinbarkeit des Objekt- und Subjektstatus der Frau im Kapitalismus erörtert wird. Ja, es ist in der Tat unmöglich, ein sexualisiertes Objekt heteronormativen, männlichen Begehrens und gleichzeitig ein ökonomischer „Gewinner“ zu sein bzw. zu herrschen. Der Film repräsentiert zweifellos ein alternatives Begehren: nicht nach dem Mann, sondern nach den „Schwestern“. Was der Film nicht zu repräsentieren wagt, ist, dass auch eine andere Ökonomie jenseits von Herrschaft möglich ist.

Die Warenförmigkeit von Barbies sozialen Beziehungen konstituiert ihre Entfremdung. In einem kurzen Moment der Ent-Entfremdung kommen Barbie Gedanken zum Tod, weswegen sie in die „wirkliche Welt“ muss, um die „Störung“ ihrer menschlichen Besitzerin zu beheben. Dann muss sie noch kurz Ken in Schach halten, der aus dem Barbie-Haus ein patriarchalisches „Ken-Mojo-Dojo-Casa-Haus“ zu machen versucht, und am Ende wird Barbie „menschlich“ und fährt mit ihrer neu gewonnenen Vulva als Erstes zum Frauenarzt (leider kein Scherz).
 

Uno – der Film: Mattel planiert die Grenze zwischen Werbung und Kino

Der durch eine campig-queere, plakative Ästhetik ohne Schärfentiefe geprägte Film ist gleichzeitig eine Dauerwerbesendung, in der jede Figur und jedes Ding stilisierte Product-Placement sind. Von Chanel über Chevrolet bis hin zu Margot Robbie und Ryan Gosling selbst, die in der „wirklichen Welt“ als Puppen von Mattel parallel zum Film verkauft werden. Schon die Marketingkampagne war teurer als die eigentliche Filmproduktion und ist nur der erste Streich Mattels in seiner Wandlung vom reinen Spielzeughersteller zum Franchise Management für geistiges Eigentum (international als „IP“ für „intellectual property“ bezeichnet) wie Disney. Das Unternehmen schloss im Vorhinein über 100 Lizenzverträge mit Firmen wie Zara, Burger King, xBox oder H&M ab und hat bereits etliche Folgefilme in der Pipeline. Lena Dunham arbeitet gerade an Polly Pocket, danach soll Uno – der Film kommen, anschließend Hot Wheels und so weiter. Selbst Ridley Scott arbeitete wohl an einer Monopoly-Verfilmung (und auch Monopoly wird aktuell in Barbie-Farben vermarktet); man könnte es sich kaum ausdenken. Während in alten Zeiten – aus Männerfilmen wie James Bond gewohnt – noch ein paar Uhren und Autos platziert und so Gelder für die Produktion eingeworben wurden, machen die Produkthersteller*innen nun gleich ganze Filme im Alleingang. Dass diese Filme dadurch als hauseigene Werbung und Markenprodukt appropriiert werden, scheint bislang kaum jemanden zu stören. Die hochgelobte, sympathische Regisseurin und Schauspielerin Greta Gerwig und ihr als Arthouse-Regisseur gefeierte Partner Noah Baumbach jedenfalls nicht. Sie haben kein Problem damit, ihre öffentlichen Personae, ihre Autor*innen-Handschrift und ihre Credibility einem Unternehmen wie Mattel zum Einverleiben zu überlassen, das mit ihnen Milliarden scheffelt und weiter chinesische und mexikanische Arbeiter*innen ausbeutet. Was kommt als nächstes? Tesla die Komödie? Gazprom der Thriller? Und wann sagt ein*e Regisseur*in: „Das kann ich moralisch nicht vertreten“?

Seit 2018 gilt die EU-Richtlinie für audiovisuelle Medien, ausgenommen Kinofilme, die Product-Placement in Kinderfilmen grundsätzlich verbietet. Werbung muss als Werbung gekennzeichnet werden. In Barbie erscheinen alle und alles als erwerbbare, begehrenswerte Kommoditäten. Im „klassischen“, eigentlich eben „patriarchalen“ Kino setzt der Male Gaze (der Blick auf die Welt aus den Augen heterosexueller Männer) durch einseitig distribuierte Handlungsmacht und sexuelles Begehren oppressive Geschlechterverhältnisse. Barbie hingegen entwirft einen mimetischen, durchaus weiblich konnotierten Blick, allerdings ohne Begehren nach Sex oder Herrschaft, sondern nach dem nostalgisch verklärten Hyperkonsumismus der 1980er- und 1990er-Jahre. Sie knüpft an im industrialisierten Globalen Norden situierte kindliche Begehren nach neuem Spielzeug. Jenes Plastik und Benzin, das damals noch irgendwie gut und abenteuerlich roch und dessen Konsum noch unschuldig schien. Im Gegensatz zu heute, wo sich die Folgen der Konsumgesellschaft nicht mehr ganz so toll und unschuldig anfühlen.

Man will es Gerwig nicht übel nehmen, die sicher ein trojanisches Pferd plante, indem sie in der Massenware progressivere Geschlechterbilder und positive Mutterfiguren verstecken wollte. Aus einem Projekt, das zunächst nur „seichte Unterhaltung“ zu versprechen schien, machte sie eine Kritik des universalistischen Selbstanspruchs patriarchaler Kinofilme, indem sie diesen die Partikularität ihrer Perspektive vorhielt. Gerwig demonstrierte, wie reaktionär die oft geschlechtsspezifisch bestimmte Unterscheidung von „high“ und „low art“ ist, jene zwischen finanziell erfolgreichen Filmen von angeblichen Künstler-„Genies“ (auch im Übrigen ein Relikt des Patriarchats) und dem angeblichen Nischenprodukt „Frauenfilm“ ist. Aber am Ende des Tages bleibt ein Mattel-Produkt ein Mattel-Produkt, das die „klassische“ – eben patriarchale – Filmindustrie unter Produzenten wie Harvey Weinstein, die auch schon furchtbar war, leider nicht besser macht.
 

Es gibt kein feministisches Leben im Falschen

Dass Feminismus mehr als Sprache und Phrasen, vor allem (Selbst-)Verantwortung bedeutet, beweisen Menschen wie die feministische Menschenrechtsaktivistin Marie-Claude Hessler, die jahrelang für bessere Arbeitsbedingungen in den chinesischen Mattel-Fabriken kämpfte und dafür sogar Kleinaktionärin von Mattel wurde. 20 Jahre lang, bis zu ihrem Tod im Jahr 2020 besuchte sie die Generalversammlungen des Konzerns und beanstandete die miserable Situation der Arbeiter*innen. Gerwig sagte, man könne mehreres gleichzeitig tun, die Bedingungen Mattels erfüllen und sie gleichzeitig unterwandern. Dass das nicht stimmt, beweist der Film, der die finanziellen Interessen Mattels übermäßig bedient, aber nichts am Unternehmen und seiner Politik verändert. Das Bisschen Kapitalismuskritik und Feminismus im Film ehrt Mattel nur mehr, die sich jetzt noch als selbstkritisch, feministisch, politisch und „good sports“ präsentieren können, die auch imstande sind, über sich selbst zu lachen. Gerwig auf der anderen Seite wirkt auf der opulent organisierten Pressetournee des Films wie ein Mattel-Maskottchen.

Natürlich müssen Filmschaffende dann und wann den Pakt mit dem Teufel eingehen, wollen sie Filme drehen und davon leben können. Dennoch sollte man sich fragen, ob es vertretbar ist, ein Unternehmen zu pinkwashen, das zur Unbewohnbarkeit des Planeten beiträgt, wovon als Erstes (arbeitende) Frauen (of color) betroffen sind, Frauen des Globalen Südens, deren Lebensgrundlage durch die ökologischen Kosten der Konsum- und Wachstumsgesellschaft des Globalen Nordens zerstört wird.
 

Barbenheimer und der Sonderabfall

Die ersten Barbies wurden noch aus Polystyrol hergestellt; bis 1985 bestanden sie überwiegend aus Polyvinylchlorid (PVC), heute besteht eine Barbie aus PVC, Ethylenvinylacetat (EVA), Acrylnitril-Butadien-Styrol (ABS) und hartem Vinyl, also aus Stoffen, die allesamt aus fossilen Brennstoffen gewonnen werden. In einem durchschnittlichen Jahr werden 60 Mio. Barbies verkauft, über 100 pro Minute. Das Yale Environment Review kalkulierte, dass Barbies jährlich so viele Emissionen verursachen wie das Verbrennen von knapp anderthalb Milliarden Liter Benzin (vgl. Karademir 2023). Spielzeug ist das plastikintensivste Verbrauchsgut der Welt.

Auf den eklatanten Widerspruch von Gerwigs Feminismusversprechen ging darum gleich zum Kinostart des Films die Aktivistengruppe The Yes Men ein, die aus Jacques Servin und Igor Vamos besteht. Im Namen von Mattel veröffentlichten sie eine Fake-Presseerklärung, in der sich das Unternehmen verpflichtet, bis 2030 nur noch Puppen aus biologisch abbaubaren Pilzen („MyCelia Barbies“) zu produzieren (vgl. Mridul 2023). Schön wär’s. Vamos sagte: „Barbie besteht immer noch buchstäblich aus Öl, hergestellt von Arbeiter*innen in Ausbeutungsbetrieben. [...] Aber wir sind in Identitätspolitik verstrickt und verlieren den Überblick darüber, was passiert, nämlich dass der Planet direkt vor unseren Augen zerstört wird. [...] Zu sagen, die Puppe sei jetzt feministisch, während die Puppe die Umwelt kontaminiert, von der die Zukunft der gesamten Menschheit und allen Lebens abhängt, ist ein ziemlich riesiger und bizarrer Witz.“ (Ebd.)

Aus ökologischer Perspektive haben die unterschiedlichen Filme Barbie und Oppenheimer, die am selben Tag in die Kinos kamen und im Netz eine Welle lustiger „Barbenheimer“-Memes auslösten, mehr gemeinsam, als man ihnen zunächst ansieht: Beide Filme handeln davon, wie Mitte des 20. Jahrhunderts der industrialisierte Globale Norden begann, sich ins geologische Erdzeitalter einzuschreiben und den Zerfall seiner Lebensgrundlagen zu verursachen – durch nuklearisierte Militarisierung bzw. entfesselten Konsum. Beide Filme handeln von toxischem Müll, einmal in Form von Plutonium, einmal Plastik. Der eine aus der Perspektive einer patriarchal-apokalyptischen Allmachtsfantasie, der andere mit dem Appropriationsanspruch, die misogyne Puppe feministisch umzudeuten, also einem eigentlich patriarchalen Produkt einen pinken Anstrich zu geben. Unterm Strich produziert Barbie leider trotz der progressiveren Botschaften des Films mehr Müll als sein patriarchalischer Nachbar Oppenheimer, was am Wachstumsinteresse von Mattel liegt.
 

Trailer Oppenheimer (KinoCheck, 19.12.2022)



Oppenheimer erzählt in mythisierendem Duktus von der Atombombe. Bedenkt man, dass Plutonium-239 eine Halbwertszeit von 24 110 Jahren, Plutonium-244 eine von 80 Mio. Jahren hat, wird deutlich, mit welchem zusätzlichen Risiko wir leben, das von den Folgen des Klimawandels, wie Extremwetterereignisse, die Plutoniumspeicher vulnerabel machen, nicht losgelöst betrachtet werden kann. Die Plutoniumteilchen aus vergangenen Atomwaffentests sind über und unter der Erde und kommen dem Grundwasser immer näher. Grundwasser, dessen sich multinationale Konzerne weiter bemächtigen und dem in einer immer wärmeren Welt eine zunehmende Bedeutung zukommt. Eine Barbie wiederum braucht ca. 1 000 Jahre, bis sie zersetzt ist. Bei dem Prozess wird aus Makro- Mikroplastik, das inzwischen im Schnee, im Trinkwasser, in Fischen und im menschlichen Blut nachgewiesen wurde. Die feministische Umweltwissenschaftlerin Max Liboiron beschreibt Plastikmüll zudem als kolonialistisch, durch die mit der Müllentsorgung einhergehende gewaltsame Verfügung über koloniale Landverhältnisse. Westliche Industrienationen beanspruchen dabei indigenes Land als Plastikmülldeponie (vgl. Liboiron 2021). Um den Nexus von Wachstum und patriarchaler Gewalt des fossil-nuklearen Zeitalters zu durchbrechen, sind eine Denuklearisierung, Dekarbonisierung und Postwachstumsgesellschaft wesentlich. Hier könnte ein feministisches Produktionsmodell, das nicht auf steigendem Umsatz sondern nachhaltiger Produktion basiert, die Filmwirtschaft erneuern.

Während in der Ukraine, in Nahost und Armenien Krieg herrscht und wir wieder einmal im Schatten der Atombombe leben, ringt die erneute Angst vor nuklearen Waffen und Unfällen mit der Angst vor dem Klimawandel um unsere kollektive mediale Aufmerksamkeit. Es wird höchste Zeit für Kulturgüter, die nicht nur feministische Inhalte liefern, sondern feministisch gemacht werden und Arbeitsbedingungen und Abfall mitdenken. Es bedarf Filme, die aus der Regression durch Retromarketing heraustreten und für die Folgen von ölgetränkten Plastikprodukten und einem mit unserem vulnerablen Planeten unvereinbaren Lebensstil Verantwortung übernehmen. This Barbie needs to grow up.
 

Anmerkung:

(1) Barbie sagt im Film: „I want to be a part of the people that make meaning, not the thing that is made” in Anlehnung an:  „Woman, then, stands in patriarchal culture as a signifier for the male other, bound by a symbolic order in which man can live out his fantasies and obsessions through linguistic command by imposing them on the silent image of a woman still tied to her place as the bearer of meaning, not maker of meaning.“ – Mulvey, L.: Visual And Other Pleasures. Basingstoke 1989, zit. nach: goodreads.com

Quellen:

China Labor Watch: Workers in Misery: An Investigation into Two Toy Factories. In: China Labor Watch, 03.12.2020. Abrufbar unter: chinalaborwatch.org (letzter Zugriff: 17.10.2023)

Karademir, D.: Most materials are recyclable, so why can’t children’s toys be sustainable? In: Yale Environment Review, 08.05.2023. Abrufbar unter: environment-review.yale.edu (letzter Zugriff: 17.10.2023)

Liboiron, M.: Pollution Is Colonialism. Durham 2021

Mridul, Anay: Plastic-Free Barbie: Hoax Daryl Hannah Ad Announced as Awareness Campaign by Climate Change Activists, In: green queen, 03.08.2023. Abrufbar unter: www.greenqueen.com.hk (letzter Zugriff: 17.10.2023)

Mulvey, L.: Visual and Other Pleasures. Basingstoke 1989, zit. nach: goodreads.com (letzter Zugriff: 17.10.2023)

Ramamurthy, R.: Barbie and the Problem of Corporate Power. In: NP, 31.07.2023. Abrufbar unter: nonprofitquarterly.org (letzter Zugriff: 17.10.2023)

Solidar Suisse: "Me too" also applies to female factory workers in China. In: Solidar, 03.12.2020. Abrufbar unter:  www.solidar.org (letzter Zugriff: 17.10.2023)

Sombart, W.: Der moderne Kapitalismus. Historisch-systematische Darstellung des gesamteuropäischen Wirtschaftslebens von seinen Anfängen bis zur Gegenwart. München und Leipzig 1927 [1902], Bd. III.1, S. 129 f.

Toys Report: Arbeit ohne Ende für Babys sanften Schlaf. zu den Arbeitsbedingungen in der chinesischen Spielzeugindustrie. In: Christliche Initiative Romero & China Labor Watch (Hg.): Toys Report 2020. Abrufbar unter: www.ci-romero.de (letzter Zugriff: 17.10.2023)